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Kulturelle Vorbereitung - Ist ein Engländer in New York ein Fremder unter Fremden?

Wie nah ist „weit“ und wie weit ist „um die Ecke“?
Reichen Sie Ihrem Vorgesetzten die Hand zur Begrüßung?
Werden Sie das Essen im Heimatland vermissen?

Wenn Sie nach Kunming in China fliegen, sollten Sie nicht nur mit einem langen Flug über Peking planen, sondern auch eine Akklimatisierungszeit von 3-4 Tagen berücksichtigen – und folglich nicht am Sonntag ankommen, um am Montag mit dem Praktikum starten.
Wenn Sie in Georgien einen kurzen Sonntagsausflug von Tiflis zum berühmten Kloster Dawid Garedscha machen, erscheint Ihnen die Entfernung von 50 Kilometern nach deutschen Verhältnissen nicht weit – doch 30 Kilometer davon sind Steinstraße mit Schrittgeschwindigkeit, weshalb sich der Weg ziehen wird.
Entscheiden Sie sich für einen Forschungsaufenthalt in Sibirien, erwartet Sie im August zwei Wochen eine kalte Dusche – denn genau in dieser Zeit finden alle Wartungsarbeiten bei den Wasserwerken statt.

Was zeigen Ihnen diese Situationen? Dass Sie die Traditionen und Sitten Ihres Ziellandes kennen sollten? Dass Sie ausreichend Erklärungen zu kulturspezifischem Verhalten sammeln sollten? Bon! Très bon! Und unterschätzen Sie dabei nicht die Entfernungen zwischen Heimat- und Zielland – denn auch in Österreich oder Polen ist einiges anders als in Deutschland.
Die folgenden Unterseiten sollen ein erstes Gefühl vermitteln, welche Aspekte Sie bei Ihrer kulturellen Vorbereitung berücksichtigen sollten und wie Sie interkulturelle Begegnungen erfolgreich (er)leben.

Eigene Kultur kennenlernen & vertreten

Wie gut kennen Sie ihre eigene Kultur? Können Sie verbreitete Verhaltensmuster erklären?
Wie wollen Sie Ihre Kultur einer fremden Kultur präsentieren?

Sie wissen meist was und wie Sie etwas machen – doch warum auf diese Art und Weise? Ohne die eigene Kultur aus einer anderen Perspektive zu sehen, können Sie Ihr eigenes Verhalten meist nicht vollständig erklären. Daher ist es als Vorbereitung hilfreich zu verstehen, was andere Kulturen und Menschen als typisch deutsch betrachten.

Setzen Sie sich mit Klischees zu der deutschen Kultur auseinander und auch mit Themen deutscher Geschichte. Gerade die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands prägt in manchen ausländischen Regionen das Bild eines Deutschen stark.

Für die Vorbereitung finden Sie auch fachbezogene Bücher, wie etwa Typisch deutsch: wie deutsch sind die Deutschen? von Hermann Bausinger.

Gastgeschenke
Nehmen Sie Postkarten, Fotografien oder kleine Spezialitäten aus Ihrem Heimatland mit – Ihre Kollegen, Mitbewohner oder Gasteltern freuen sich, wenn Sie etwas über Ihre Heimat erfahren.

Missverständnisse meistern - Fettnäpfchen vermeiden

Ins Fettnäpfchen treten –
im Englischen – to put one’s foot in it, im Chinesischen –
丢脸 das eigene Gesicht verlieren

Sicherlich haben Sie schon die ein oder andere Anekdote gehört, wie man im Ausland ins Fettnäpfchen treten kann. Dies kann zwar witzig sein und es ist definitiv lehrreich, denn in solchen Situationen ist der Kontakt zu der fremden Kultur besonders intensiv – jedoch sind solche Situationen oftmals auch unangenehm und in der Arbeitswelt zu vermeiden.

Viele Fettnäpfchen sind die Folge eines vorherigen Missverständnisses. Diese lassen sich größtenteils vermeiden, indem Sie vorab kulturelle Besonderheiten und Unterschiede kennenlernen, statt stereotypischen Vorstellungen zu verfallen. Versuchen Sie eine Situation zunächst nur zu beobachten und zu beschreiben, statt direkt zu interpretieren.

Ein Beispiel für das eben Genannte: Ein Student aus Kamerun bittet seine Praktikumsbetreuerin um Verlängerung der Abgabefrist für einen wichtigen Projektbericht. Er erklärt, dass sein Bruder sehr krank ist und er sich um ihn kümmern muss. Der Student spricht sehr leise, während die Betreuerin die Dringlichkeit des Berichtes betont und ihm dabei intensiv in die Augen blickt. Der Kameruner weicht den Blicken aus, was die Betreuerin irritiert. In der Mittagspause trifft sie einen Kollegen und spricht mit ihm über das Anliegen des Praktikanten. Sie sagt, sie glaube ihm kein Wort, da er so leise gesprochen habe und ihr nicht in die Augen sehen konnte: „Wenn ich ihn angeschaut habe, hat er weggeschaut und ich weiß gar nicht, ob er mir zugehört oder mich verstanden hat“.

Mit ein wenig Hintergrundwissen und interkultureller Sensibilität lässt sich diese Situation einfach erklären: In Kamerun ist es üblich, sich bei Gesprächen mit Älteren leise zu äußern und Blickkontakt zu vermeiden. Das ist ein Zeichen des Respekts und der Wertschätzung. Der Praktikant verhielt sich also sehr höflich und respektvoll gegenüber seiner Betreuerin. Zudem ist die Familie in Kamerun (und vielen weiteren Ländern) das Allerwichtigste, weshalb eigene Interessen und Verpflichtungen, wie die Abgabe eines Projektberichtes hinten angestellt werden.

Generell liegt vielen Missverständnissen ein stereotypischer Gedanken zugrunde: Wir sind es gewohnt, mit Personen derselben Kultur zu kommunizieren und erwarten, dass sich unser Gegenüber genau wie wir verhält. Ebenso ergeht es dem Gegenüber aus der fremden Kultur. Eine solche Situation ist herausfordernd und kann zu Verwirrung, Ärger oder Frustration führen. Doch dank erworbener interkultureller Kompetenzen kann sie entschärft, gelöst oder im besten Fall vermieden werden.

Wenn Sie später im Ausland mit Ärger, Ungeduld oder Frustration auf eine Situation reagieren, sollten Sie sich Ihrer emotionalen Reaktion bewusst werden und:

  • fremde Traditionen und Wertesysteme respektieren, z.B. die Rolle der Frau oder der Religion in anderen Kulturen, auch wenn Sie dies nicht nachvollziehen können
  • bewusst typische Dinge der anderen Kultur ausprobieren, z. B. einheimisches Essen, um Hemmschwellen und Vorurteile abzubauen
  • Geduld und Verständnis haben – auch für Ihre Kollegen ist es ggf. eine neue Situation mit einem ausländischen Praktikanten oder Mitarbeiter zusammenzuarbeiten

Beachten Sie auch, dass sich kulturelle Unterschiede besonders bei Ess- und Trinkgewohnheiten bemerkbar machen. Beispielsweise ist die deutsche Sitte, Wasser mit Kohlensäure zu versetzen, eine Besonderheit, die in kaum einem anderen Land wiederzufinden ist. So ist ein alltäglicher Schluck Sprudelwasser einem Franzosen äußerst suspekt, denn dies ist kulturell mit dem Ende des Festtagsessen verbunden. Im Gegenzug wundert sich ein deutscher Praktikant womöglich, warum es standardmäßig nur stilles Wasser in Frankreich zu kaufen gibt.

Auch bei der Art und Weise, wie Sie in anderen Regionen essen, gibt es einiges zu beachten: In asiatischen Regionen sollten Sie Ihre Essstäbchen niemals kreuzen oder gleich lang geordnet vor sich legen – denn dies wird als Unglück betrachtet. Schlagen Sie mit den Essstäbchen auch nicht gegen Schüsseln oder Teller, da dies früher Bettler machten und Ihr Verhalten mit dem in Ostasien traditionellen Zeichen der Bettler assoziiert wird. Und auf keinen Fall darf man Essstäbchen senkrecht in einer Reisschale stecken lassen. Dies findet nur bei Trauerzeremonien statt, um Verstorbenen zu gedenken.

Bereiten Sie sich für Ihren Auslandsaufenthalt also auch auf die spezifischen Ess- und Trinkgewohnheiten vor, denn so vermeiden Sie nicht nur während eines Mittagsimbisses mit anderen Praktikanten peinliche Situationen, sondern auch unangenehme Momente bei dem Geschäftsessen mit Ihrem Vorgesetzen und wichtigen Kunden oder Ihrem Forschungsleiter.

Workshops & weiterführende Hilfe

Die Teilnahme an einem Workshop zur Interkulturellen Kommunikation sorgt für eine gewisse Sensibilität und hilft Missverständnisse zu vermeiden. Termine zu solchen Veranstaltungen finden Sie auf unserer Veranstaltungsseite, im Akademischen Auslandsamt Ihrer Hochschule oder an Volkshochschulen.

Die Frage der „richtigen“ Perspektive lässt sich ausführlich in Fallbeispielen des Deutschen Studentenwerkes nachlesen oder Sie informieren sich zusätzlich auf Seiten des Goethe-Institutes zu interkulturellem Lernen. Auch Seiten für Expats, wie Expat News, eignen sich hervorragend für die kulturelle Vorbereitung auf Ihren Auslandsaufenthalt oder Sie vertiefen einige Themen im Praktikumsratgeber des DAAD. Zudem haben wir Literaturempfehlungen für Ihre interkulturelle Vorbereitung zusammengetragen:

  • Ternès, Anabel; Towers, Ian: Interkulturelle Kommunikation: Länderporträts – Kulturunterschiede – Unternehmensbeispiele
  • Heringer, Hans Jürgen: Interkulturelle Kommunikation: Grundlagen und Konzepte
  • Storti, Craig: The Art of Crossing Cultures

Darüber hinaus können Studierende und Graduierte der TU Dresden für Ihre optimale interkulturelle Vorbereitung das Studi-SPRiNT – Programm nutzen.